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Das Bild
Schon lange hängt es sowohl an meiner heimischen Wohnzimmmerwand, als auch in meinen Gehirngängen fest – das Bild vom Teufelsturm.
Eine alte Aufnahme bei Schnee und Eis. Vom warmen Sessel aus kann ich die einzelnen Felsvorsprünge sehen, an denen sich der Schnee verfangen hat, dort kann sicherlich auch eine Hand halt finden! Lange gehe ich in Gedanken den Fels auf und ab. Unzählige Male bin ich schon oben gewesen – im Kopf. Endlich will ich auch leibhaftig hoch, da gibt es nur einen Hinderungsgrund, der Teufelsturm ist schwer. Für mich als „Softmover" bleiben nur zwei Möglichkeiten. Entweder der Alte Weg, welcher mit Sächsisch VIIb (VIIc) bewertet ist, oder die Talseite, welche mit VIIIa (VIIIb) zu Buche schlägt. Nun ergeben sich zwei Probleme. Der Alte Weg ist zwar nur VIIc, aber sehr moralisch, will heißen, du kannst stürzen und zwar weit. Diesem Faktor steht mein begrenzter Mut entgegen. Der Talweg ist zwar relativ gut abzusichern, aber liegt mit VIIIb an meinem absoluten Limit. Wie nun also hinaufkommen? Einen potenten Vorsteiger finden!
Der Motz kann so was, sowohl was die Moral, als auch die Schwierigkeit angeht, auch hat ihn inzwischen schon mehrmals gemacht. Doch dann passen unsere Zeitpläne nicht zueinander und die Zeit geht ins Land. Also Phillip fragen, auch er hätte genügend Mut und Können, aber auch hier spielt die Zeit gegen uns. Phillip wird Vater! Kinder sind ja wirklich niedlich, aber für mich wieder kein Teufel!
Aber im letzten Herbst ist dann der große Augenblick gekommen. Unsere Firma Camp4 macht einen Ausflug über den 3. Oktober nach Ostrov/Böhmen. Wir verbringen schöne Tage bei Bier, Klettern, Gipfelspringen und Zelten. Am Ende der 3 Tage entführe ich meinen Freund Nick an den Teufel, er soll ihn vorsteigen. Frank B. ist nebst meiner Familie auch am Start. Beim Zustieg zum Gipfel kreisen meine Gedanken immer wieder um die Kante. Wie wird es sein, wenn mein Traum vom Talweg endlich Wirklichkeit wird, wird das Erlebnis meinen Vorstellungen standhalten? Es hält stand und wie.
Nick steigt von der Einstiegsterasse mit traumwandlerischer Sicherheit zum Ring an, aber was ist das, Frank wird unruhig, der falsche Ring. Nick befindet sich links des Originalweges in kleinstgriffigem IXa Gelände, was zwar für ihn kein Problem ist, wohl aber für Frank. Nick quert auf Franks Bitten in den Originalweg zurück und macht am 2. Ring Stand. Ich übernehme Franks Part als Nummer 2 und quäle mich durch das griffarme Gelände zum Stand, was sah das doch einfach aus bei Nick! Frank folgt auf dem Originalweg zum Stand. Vereint hängen wir weit über der Elbe, genießen den Ausblick und prüfen den Weiterweg zum 3. Ring. Jetzt kommt es drauf an, zu mindestens für uns Nachsteiger! Nick steigt leichtfüßig zum 3. Ring, quert rechts zur Rinne und über den Wulst zum Gipfel – man was hat der Kerl für Reserven! Ich bin am Zug! Bedächtig löse ich mich vom Stand, die Kante ist griffig, aber nicht sehr fest, was bin ich froh, dass ich nachsteige. Kleingriffig geht es nach rechts zur Rinne, mit letzter Kraft über sie zum Absatz, wo Nick ein Bollwerk aus Schlingen errichtet hat – Respekt! Das hätte auf jeden Fall gehalten. Ein letztes Aufbäumen der zugelaufen Muskeln um über den letzten Überhang auf den Gipfel zu gelangen – geschafft! Ich bin oben, Traum und Tat sind eins geworden. Frank kämpft sich laut keuchend über die schweren Stellen nach oben, er ist gut drauf, ich will mit 50 auch so fit sein wie er. Wir drei sind oben, genießen den fürstlichen Ausblick, sind, bis auf Nick, platt wie die Fische. Was für ein Gipfel, ein erhabenes Gefühl, hier kommt nicht jeder rauf! Finde eine relativ frische Eintragung von Kurt Albert, freue mich ihn vorletztes Jahr bei den Bergsichten noch erlebt haben zu dürfen, einen ganz großen Vorreiter, der in meinen Gedanken immer weiterleben wird. Die Gedanken schweifen mit dem Blick schon zum nächsten Traumgipfel, was machen wir als Nächstes Nick?
Genieße die Abseilfahrt am Alten Weg vorbei, ist wirklich ein moralischer Brecher! Unten warten meine Frau und mein Sohn auf mich, er hat Sandburgen gebaut und seine Hotwheels fahren auf der Slacklineautobahn.
Jetzt noch ein Böhmisches Bier und Knödel und der Tag ist rund. Die Kellnerin in Hrensko hat den Charme einer Kreissäge, was mich aber aufgrund der Erlebnisse ungefähr wie der berühmte Sack Reis interessiert. Das Bier rinnt die Kehle runter – so muss sich, so glaube ich Glück anfühlen.
Hans S.
Lok Berlin '53